Figurenkabinett
Schmidt
Puppen ebnen Wege zu Kranken.
Das Puppenspiel
ist für den Lehrer Helmut Schmidt ein Stück weit Forschung.
Bei seinen Auftritten versucht der Autodidakt die Wünsche der Kinder
kennenzulernen und "gemeinsam etwas zu machen". Die Puppen
seines Figurenkabinetts ebnen dem Alleinunternehmer aus Berglen-Reichenbach
den Weg auch zu alten, seelisch kranken und behinderten Menschen. Schmidt
ist Sozialpädagoge und bildet seit 1982 an der katholischen Fachschule
in Stuttgart Erzieher aus. Erkenntnisse für den Schulalltag zieht
der 43jährige aus seiner nebenberuflichen Tätigkeit. Bei einer
kürzlich in Flensburg gezeigten Vorstellung für verhaltensauffällige
Kinder seien deren Betreuer baff gewesen, welche Ratschläge die
Buben und Mädchen dem Kasper gegeben haben, erzählt Schmidt.
Die kleinen Gäste hätten gezeigt, dass sie durchaus gesellschaftlich
anerkannte Normen und Werte intus haben. Man muss diese offenbar nur
herauskitzeln.
Zu Beginn
einer jeden Vorstellung werden die Kinder mit Problemen konfrontiert,
die der Kasper nicht allein bewältigen kann. Herkömmliche
Verhaltensmuster versagen. Gemeinsam wird überlegt, wie sich das
Blatt wenden lässt, wie etwa die arme Gretel vom Spuk des Zauberers
freikommen kann. Nachdem der Konflikt gelöst ist, feiern die Akteure
mit den Kindern ein Fest.
Das pädagogische
Element Puppentheater dürfe keinesfalls als Zwangsmittel missbraucht
wer-den, sagt Schmidt. Die Figuren bezeichnet er als Brücke, die
einen Zugang auch zu verschlossenen Menschen bauen. Eltern, die mit
in die Vorführungen kommen, wundern sich gelegentlich. Manch ruhiger,
in sich zurückgezogener Knirps beginnt lauthals zu schreien. Die
Interaktion mit den Figuren ermöglicht es, jahrelang gewohnte Rollen
und Verhaltensmuster zu verlassen.
Das Theater
ist für den Pädagogen eine Möglichkeit, sich Kindern
unaufdringlich zu nähern. Die Handpuppe sollte nicht autoritär
daherkommen. Das Kind müsse vielmehr das Gefühl haben, der
Regisseur zu sein. Wenn Schmid loslegt, darf die Puppe durchaus zunächst
schweigen. Oft platzen die Buben und Mädchen von allein heraus,
fragen etwa "wer bist Du?". Es kann passieren, dass das Spiel
ganz anders abläuft als zunächst geplant. Improvisation ist
gefragt.
Eine "nette
Geste" seiner Frau ist dafür verantwortlich, dass Helmut Schmidt
die Puppen tanzen lässt. 1984 schenkte ihm die Gattin eine Bauanleitung
für Marionetten. Die technischen Vorkenntnisse aus einer Schlosserlehre
kamen ihm entgegen und er baute "wie der Gestörte", spielte
zunächst aber nicht. Dann trat Schmidt im Kreis der Verwandtschaft
auf, der Funke sprang über. Seit 1986 gastiert das Figurenkabinett
etwa zweimal im Monat überall in Deutschland. Mund-zu-Mund Propaganda
und seit neuestem eine eigene Homepage im Internet machten Schmidt bekannt.
Helmut
Schmidt spielt nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene.
Das
Multitalent bietet. Kurse im Puppenbau und praktische Übungen mit
gefertigten Figuren an, er modelliert Luftballonfiguren und hat eine
so genannte Spiel-beratung im Programm. Seit Ende 1996 betreut der Mann
aus Berglen geistig Behinderte im Jakobushaus Schwaikheim, die selbst
Puppentheater spielen.
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