Helmut Schmidt-
Der Kasper macht Anwendungstheater
"Schau, schau, hier ist unsere Maus und das Kasperspiel ist aus!
" Wenn er diesen Satz gesagt hat und unzählige Kinderhände
begeistert Beifall geklatscht haben, dann liegt für den aus Berglen
im Rems?Murr Kreis stammenden Helmut Schmidt eine dreiviertel Stunde
hinter ihm, in der er es als Hauptakteur in seinem Handpuppenspiel verstanden
hat, die Kinder in seine Stücke ein-zubinden und ihnen das Gefühl
zu geben, etwas gemeinsam erlebt und gemeistert zu haben. Am Dienstag
nun gastierte Schmidt, der eigentlich Lehrer an der katholischen Fachschule
für Sozial-pädagogik in Stuttgart ist, mit seinem Stück
"Die neugierige Prinzessin im Hexenwald " in der Rohrdorfer
Gemeindehalle. Nach der Aufführung sprach die SÜDWEST PRESSE
mit ihm.
"Vor acht Jahren", so erzählt uns Schmidt, "habe
ich damit angefangen, selber Figuren zu bauen." Für den Fachschullehrer,
der ursprünglich einen technischen Beruf erlernte, war dies der
Anfang als Puppenspieler. Inzwischen geht er nun schon vier Jahre auf
Tournee; die Figuren, die er den Kindern zeigt sind heute natürlich
nicht mehr selber gemacht. Sie stammen aus Erzgebirge und werden "Hohensteiner
Figuren" genannt. Angefangen hat er mit Tuchmarionetten zu spielen,
sie halfen ihm, die Scheu zu überwinden vor anderen Leuten aufzutreten.
Nachdem er sich mit ent-sprechender Literatur auseinandergesetzt, und
auch einige Stücke von Berufsspielern angesehen hat, entwickelte
er seinen eigenen Stil und seine eigenen Stücke. Und das alles,
obwohl er das Figurentheater aus seiner Kinderzeit ("Das Verkehrskasperspiel
bereitete mir Angst") in schlechter Erinnerung hatte. Sechs Stücke
hat er derzeit auf Lager, und jedes Mal greift er Themen auf, die Kinder
auch im Alltag erleben.
Mit "Die Prinzessin im Hexenwald" macht er auf die überbehüteten
Kinder, die es, so Schmidt, vor aIlem in der Stadt gibt, aufmerksam.
Heutzutage werde den Kindern der Spiel? und Sozialpartner ausgesucht,
meint der Lehrer und fügt hinzu: "Die Kinder lernen ja überhaupt
nicht mehr auszu-wählen! " Bei seinen Auftritten legt er deshalb
Wert darauf, daß die Kinder, nicht wie in der Schule oder dem
Kindergarten etwas lernen sollen, sondern seine Vorführungen sollen
ein "Anwendungs-theater" sein. Werte wie "gut" und
"schlecht" sollen hier angewendet werden, wobei das Gute,
auf dessen Seite immer der Kasper steht, am Ende als Sieger dasteht.
Das Handpuppenspiel soll den Kindern, anders als vor dem Fernseher,
die Möglichkeit geben, in der Gruppe etwas gleich zu fühlen
und zu erleben. Ebenfalls anders aIs vor der Glotze haben die Kinder
bei Schmidt das Gefühl, im Geschehen dabei zu sein, um anschließend
ohne jegliche Aggressionen den Saal zu verlassen. Und dies klappt vorzüglich:
Die Kinderrufen, schreien, klatschen während des Stückes und
zeigen dem Kasper oder dem Hofmarschall den Weg in den Hexenwald. Wichtig
ist für Schmidt, daß bei seinen Aufführungen immer Eltern
dabei sind. Sie sollen nämlich die Dinge, die sie in sich längst
todgeglaubt haben, beim Kasperletheater wiederentdecken. Unlängst
sagte ein Rentner zu ihm: "Ich bin froh, daß es heutzutage
noch jemanden gibt, der so etwas macht." Für Schmidt, der
an seiner Schule das Fach Spiel unterrichtet, ist das, was er mit den
Kindern erlebt er schlichtweg Forschung, deren Ergebnisse er wieder
bei überregionalen Erzieherfortbildungen, die zum Thema "Puppenspiel"
veranstaltet werden, oder bei gleichnamigen Kursen, die er an seiner
Fachschule anbietet, einbringt. Vorbild ist für ihn beim Marionettenspiel
Albrecht Roser, während Max Jacob, der die Figuren aus dem, Erzgebirge
erfunden hat, und Friedrich Arndt beim Handpuppenspiel für ihn
Vorbildfunktion haben. Auftritte hat der Künstler überall:
Er gastiert bei Hoch-zeiten, bei Firmen und Verbänden genauso wie
in Kinderheimen, Altenheimen oder bei Behinderten und Kranken. Bei den
letzten beiden Gruppen zeigt das Puppenspiel oft eine therapeutische.
Wirkung, meint Schmidt. Neuerdings tingelt der Berglener mit seinem
Programm auch durch die neuen Bundesländer. Unterstützung
erhält Schmidt, für solche Reisen vom Baden?Württembergischen
Amateurtheaterverband, der ihn auch bei Investitionen in der Anfangszeit
unterstützte. "Der Bär geht spazieren" heißt
nun sein neustes Handpuppenspiel hier geht es um die Angst von Kindern
im Alltag. Und obwohl der Inhalt seiner sechs Stücke immergleich
ist, ist der Ablauf jeweils ein anderer, be-tont Schmidt. Wenn die Kinder
begeistert mitgehen, dann hat er sein Ziel erreicht. Schmidts Gesichtszüge
zeigen nach einer. Aufführung wie am Dienstag ein zufriedenes Lachen.
Kein Wunder also, wenn er am Ende zu den Personen, die die Stühle
abbauen, sagt: "Soviel Dynamik hatten wir schon lange nicht mehr!
"
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